Alle Wege führen nach Rom ….
Fernstraßen, Flusswege und Häfen gab es zwar schon lange vor den Römern, aber als neue Machthaber in den eroberten Gebieten bauten sie die alten Pfade aus und sorgten dafür, dass Transporte schneller und kontrollierbarer wurden. Die Römer waren Meister des Straßenbaus und schufen ein komfortables Fernwegenetz, das nicht nur Räder, Hufe und Füße schonte, sondern logistisch auch sehr gut durchdacht war. Schnurgerade Straßen führten schnell von einem Ort zum anderen. Flüsse wurden für Schwertransporte genutzt. Dabei spielte vor allem der Rhein eine wichtige Rolle als „Highway“ zwischen Alpenraum und Nordseeküste.
Für die Archäologie sind römische Straßen relativ leicht aufzuspüren, da die Römer klare städtische und militärische Anlagenstrukturen und sehr gerade Fernstraßen bevorzugten.
Die wohl berühmteste aller römischen Fernstraßen ist die Via Appia, die von Rom in das 500 Kilometer entfernte Brindisi führte. Es ist sogar heute noch möglich, viele Kilometer auf dieser Straße spazieren zu gehen und römische Grabbauten beiderseits der schnurgeraden Strecke zu bewundern. Tiefe Furchen haben sich über Jahrhunderte in das alte Pflaster hinein gefräst. Sie stammen von den unzähligen Pferdewagen und Eselkarren, die hier nicht nur in der Antike, sondern noch über das Mittelalter hinaus tagtäglich unterwegs waren. Doch trotz ihrer Berühmtheit war die Via Appia nur eine von Tausenden römischer Straßen, die sich durch das Imperium Romanum zogen.
Auch in Nordrhein-Westfalen sind Römerstraßen noch zahlreich belegt, wenngleich ein bisschen genauer hingeschaut werden muss. Oft können wir davon ausgehen, dass eine Straße, die den modernen Namen „Römerstraße“ trägt, auch schon in der Antike existierte. Und aus den charakteristischen Strukturen römischer Militärlager oder ziviler Siedlungen ergibt sich der Verlauf der Durchgangs- und Ausfallstraßen fast automatisch, selbst wenn nur Teile davon archäologisch erschlossen sind. Zudem ist stets von einer möglichst direkten − das heißt nahezu geradlinigen − Verbindung zwischen Orten auszugehen. Manchmal erforderten natürliche Hindernisse einen Kompromiss. So wurden die Flusswindungen des Rheins entlang der ufernahen Fernstraße mit möglichst wenigen „Knicken“ und maximal linear aufgenommen.
Viele römische Fernstraßen wurden durch moderne Erdarbeiten angeschnitten. An den meisten Punkten kannten die Archäologen und Archäologinnen schon vorher den ungefähren Verlauf und waren zur Stelle, sobald die Arbeiten begannen. Mit modernen Prospektionsmethoden ist es auch möglich, den Verlauf einer römischen Straße ohne Grabung zu belegen: Luftbildarchäologie, Geo-Laserscan und Geomagnetik machen die künstlichen Strukturen im Landschaftsbild sichtbar.
Einige Straßen in Nordrhein-Westfalen gehen schon auf die früheste Erschließung in augusteischer Zeit und den Feldherrn und Statthalter Agrippa zurück. Die heutige Bundesstraße 9 ist im Wesentlichen die römische Rheintalstraße, eine sehr lange Fernstraße, die von Italien über die Alpen führte und dann den Rhein von Strasbourg über Mainz, Bonn, Köln, Xanten und weiter flussabwärts begleitete.
Eine andere wichtige Fernstraße, die Via Belgica, verschwindet heute weitestgehend unter den Feldern der fruchtbaren Lösszone im Voreifelgebiet und im großen Braunkohletagebau Garzweiler II. Die Via Belgica verband Köln mit der rund 400 Kilometer entfernten Atlantikküste und ließ Zivilorte wie Jülich, Maastricht und Tongern wirtschaftlich aufblühen.
Die dritte hier hervorzuhebende Fernverbindung ist die von Trier nach Köln. Sie führte durch die Eifel, über Bitburg und Zülpich und ist ebenfalls in vielen Streckenabschnitten belegt. Auch entlang dieser Fernstraße gab es Siedlungen, die als Handelsplätze von der Anbindung profitierten. Auf besonderen Wohlstand weisen unter anderem reiche Grabfunde und luxuriöse Siedlungsanlagen im ländlichen Raum hin.
Besonders charakteristisch für die römischen Fernstraßen war ihr oftmals schnurgerader Verlauf. Für die Straßen in den Städten übernahmen die Römer das alte hippodamische Prinzip oder auch „Schachbrettmuster“: rechtwinklig verlaufende Straßen, die das Stadtgebiet in rechteckige Gebäude-Inseln (insulae) unterteilten.
In den nichtstädtischen Straßensiedlungen gab es meistens nur ein paar nebeneinander aufgereihte Häuser, aber diese orientierten sich stets am vorgegebenen Straßenlauf. Dabei bildete die schmale Stirnseite eines römischen Streifenhauses die Straßenfront. In diesem Gebäudeteil waren in der Regel kleine Läden, Werkstätten, Tavernen und Herbergen untergebracht, sodass Durchreisende hier die wichtigsten Waren und Dienstleistungen vorfanden. Straßen waren also die Lebensadern der Gesellschaft.
Die römischen Straßen wurden mit besonderer Sorgfalt angelegt. In den archäologischen Spuren ist eine hohe Ingenieurskunst zu erkennen, die auf die jeweiligen Geländeverhältnisse und den Bedarf ausgerichtet war.
In den meisten römischen Städten waren die Straßen gepflastert. In Pompeji und Herculaneum mussten die Fußgänger sich nicht die feinen Sandalen schmutzig machen: Hohe Bürgersteige säumten die gepflasterten Straßen, und zum Überqueren dienten die erhabenen „Zebrastreifen“, deren Joche Platz für die Durchfahrt von Eselkarren boten.
Nicht überall sahen die Straßen gleich aus. Bodenbeschaffenheit, Niederschlagshäufigkeit und Materialverfügbarkeit bestimmten den konstruktiven Aufbau. Mitten in Köln, nah am Dom, gibt es ein Teilstück einer römischen Straße zu bestaunen, die vom römischen Hafen der Stadt nach Westen führte. Diese Straße war Teil eines rechtwinkligen Straßensystems, das die Römer hier anlegten. Die Straßen verliefen von Osten nach Westen und von Norden nach Süden. Die beiden Hauptstraßen, der Cardo maximus und der Decumanus maximus, werden heute im exakt gleichen Verlauf von den modernen Einkaufsmeilen Hohe Straße und Schildergasse überprägt. Bis heute sieht das gesamte Zentrum von Köln auf Karten immer noch ein bisschen wie ein Schachbrettmuster aus − auch dies ist ein römisches Erbe der Stadt.
Gerade in Regionen, in denen es oft regnet und häufig Unterspülung und Erosion auftreten können, war es wichtig, die Straßen gut zu befestigen. Das freigelegte Stückchen Römerstraße in Köln beweist, dass dafür ein hoher materieller und arbeitstechnischer Aufwand betrieben wurde. Sichtbar ist heute nur die unterste Lage aus Basaltsteinen, mit der die Straße an der Basis befestigt wurde. Darüber wurden mehrere Lagen aus feinerem Kies und Sand aufgetragen und schließlich mit einer Pflasterung versehen. Das Ergebnis war eine gut befahrbare Oberfläche. Im Querschnitt wies die Straße eine leichte Wölbung auf, sodass Regenwasser seitlich abfließen und in Rinnen abgeleitet werden konnte.
Mit der Eroberung der Gebiete nördlich der Alpen ging es zuvorderst um eine militärische Absicherung. Zahlreiche Truppen mussten bewegt und in Stellung gebracht werden. Und während ihrer Stationierung vor Ort mussten die Soldaten gut versorgt werden. Dafür wurden die Güter über weite Strecken, sogar direkt vom Mutterland Italien aus, in die Stationierungsgebiete importiert. In den Legionslagern der augusteischen Zeit finden sich auch in Nordrhein-Westfalen Amphoren für Olivenöl und Wein aus dem Mittelmeerraum. In Neuss/ Novaesium konnten Archäobotaniker anhand von Fruchtresten ein ganzes Spektrum importierter Waren aus Gebieten südlich der Alpen nachweisen. Die strategische und rasche Bewegung von Soldaten und deren sichere Versorgung war also das Leitprinzip für den Ausbau eines Verkehrswegenetzes. Letztendlich profitierte aber auch die zivile Bevölkerung von diesem System. Es wurde wesentlich bequemer, von A nach B zu kommen. Und mit größter Wahrscheinlichkeit erreichten Durchreisende, aber auch Händler oder Händlerinnen schon nach wenigen Kilometern den nächsten Vicus, also die nächste Straßensiedlung. Die Tabula Peutingeriana gibt einen Eindruck von diesem weit verzweigten Verkehrswegenetz.
Die Römer waren nicht die Erfinder der Straßen. In Europa kennen wir die ersten gepflasterten Straßen schon aus der Bronzezeit. Im antiken Griechenland sind Straßen in den Siedlungen und gepflasterte Fernstraßen schon sehr weit verbreitet. Durch Kulturkontakte zwischen Griechen und Etruskern sowie durch die griechische Kolonisation in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends vor Christus hat dieser Impuls auch Italien erreicht. Schon vor der mythologischen Gründung Roms (753 vor Christus) und lange vor der römischen Republik dürfte es also schon die ersten Straßen in Italien gegeben haben. Straßen gehörten damit von Anfang an zur Kultur der Römer und zu dem „Kulturpaket“, das sie später mit in die Gebiete brachten, die sie eroberten.
Mindestens genauso wichtig wie die gebauten Straßen, die Orte über Land miteinander verbanden, waren die Wasserwege. Auf dem Rhein wurden zahlreiche Güter transportiert, die über die Alpen oder über südwestliche Flusssysteme in hiesige Regionen gelangten. Es handelte sich in erster Linie um Schwertransporte mit steinernem Baumaterial und großen Amphoren. Schiffe boten die Möglichkeit, solche schweren Lasten in großen Mengen aufzunehmen. Die Fahrt flussabwärts war zudem recht schnell und komfortabel.
Die Fahrt gegen die Strömung war hingegen schwierig und eher für leichte Waren geeignet. Die Schiffe mussten dann getreidelt, das heißt von Pferden, Ochsen oder Sklaven gezogen werden. Mit ausreichend kräftigen Ruderern und großen Segeln ausgestattet, konnten sich die römischen Schiffe aber auch flussaufwärts gut bewegen. Besonders die militärische Flotte, die unter anderem in Mainz und in Köln-Alteburg stationiert war, musste mobil sein und an der „nassen Grenze“ patrouillieren.
Für die augusteischen Legionslager an der Lippe, also Oberaden, Anreppen, Dorsten-Holsterhausen und Haltern muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass Waren mit Flachbodenschiffen flussaufwärts getreidelt wurden. Strecken dieses Treidelpfades sind bisher nicht archäologisch belegt, da der Fluss über die Jahrhunderte seinen Lauf verlagert und alte Uferbefestigungen und Wege abgetragen hat. Hinzu kommt die moderne Überprägung des Landschaftsbildes im Zuge der Industrialisierung. Die Nutzung des Flussweges ist jedoch naheliegend, da es an nachgewiesenen römischen Straßen östlich des Rheins ebenfalls mangelt und die zahlreich gefundenen schweren Amphoren ihren Weg in die Lippelager gefunden haben müssen.
Nach der Varusschlacht im Jahre 9 nach Christus zogen sich die Römer aus dem rechtsrheinischen Raum zurück. Der Rhein wurde zur Grenze und zur Hauptverkehrsachse für die Versorgung römischer Truppen zwischen Alpenrand und Nordseeküste. Je nach Flussabschnitt mussten besondere Schiffe zum Einsatz kommen. In den Regionen, in denen der Fluss tief war und die Ufer eher steil und felsig, wurden andere Schiffe eingesetzt als in den Regionen, wo die Ufer seicht und sandig waren. Am flacheren Niederrhein und kleinen Nebenflüssen wurden überwiegend Flachbodenschiffe eingesetzt, die einfach am seichten Ufer aufslippen konnten, so ähnlich wie Fähren. Am oberen Rheinabschnitt südlich von Köln fuhren Lastenschiffe, die mehr Tiefgang hatten und seitlich an den Ufern anlegten. Diese funktionale Unterscheidung der Schiffe in „Oberländer“ und „Niederländer“ findet sich noch bis in die Neuzeit. Für den Überseeverkehr nach Britannien waren wiederum andere Schiffe notwendig, die dem Wellengang auf dem Meer standhalten konnten. Lange Wasserwege erforderten also ein häufigeres Umladen von Waren.
Die römischen Flusshäfen sind nicht vergleichbar mit den römischen Häfen im Mittelmeer, von denen es zahlreiche antike Darstellungen gibt. Grundsätzlich ist die Schifffahrt auf Flüssen wesentlich anspruchsvoller, weil hier besondere Strömungsbedingungen berücksichtigt werden müssen. In den römischen Städten Köln (CCAA) und Xanten (CUT) sind hölzerne Kai-Anlagen nachgewiesen, an denen die Schiffe anlanden konnten. In beiden Fällen handelt es sich um sogenannte Parallelhäfen, das heißt, dass die Schiffe seitlich anlegten. Bei modernen Flusshäfen werden vier Typen unterschieden.
Bisher lässt sich nur der der Typ Parallelhafen sicher für die Römerzeit in Nordrhein-Westfalen belegen. An unbefestigten Ufern, in flacheren Gewässern und am sandigen Innenrand einer Flusskurve war es hingegen nur möglich, mit einem Flachbodenschiff anzulegen. An stärker bevölkerten römischen Orten des Niederrheins, wo größere Warenmengen umgeschlagen werden mussten, das heißt zum Beispiel in der Stadt Colonia Ulpia Traiana sowie an sämtlichen militärischen Standorten, bevorzugten die Römer den Prallhang als Hafenposition. In der äußeren Flusskurve, wo das Wasser gegen das Ufer „prallt“, sorgte die natürliche Erosion dafür, dass der Hafen nicht verlandete und schwerbeladenen Schiffen ausreichend Fahrtiefe zur Verfügung stand.
Die genauen Anlandepunkte sind nicht überall archäologisch belegbar. Aber an vielen Stellen lassen sich noch Reste von Uferbefestigungen nachweisen, welche die Strömungsverhältnisse im Umfeld der Häfen stabilisierten. Ähnlich wie heute dürften viele Flussschiffe an schwimmenden Landeplätzen angelegt haben, die flexibel auf unterschiedliche Hoch- und Niedrigwasserstände reagierten. Archäologisch sind solche schwimmenden Holzkonstruktionen nicht mehr nachweisbar. Für das Be- und Entladen konnte auch immer ein hölzernes Fallreep dienen, das wir auf vielen bildlichen Darstellungen sehen. Über das vom Kai zum Schiff ausgelegte Brett liefen die Arbeiter mit den Waren.
Das römische Köln besaß bis zum frühen 2. Jahrhundert noch eine vorgelagerte Rheininsel, die durch einen Flussarm vom städtischen Ufer getrennt war. Dieser stellte zunächst einen natürlichen Strömungsschatten dar, in den die Schiffe hineinfahren konnten. Allerdings verlandete dieser Rheinarm relativ bald, sodass die Ostseite der ehemaligen Insel als Parallelhafen dienen musste.
Mangelt es an eindeutigen baulichen Strukturen, so sprechen oftmals einschlägige Funde wie Warenetiketten, Gewichte und Fischereiutensilien aus Blei dafür, dass sich an betreffender Stelle ein Hafen befunden haben könnte. Es bleibt aber dabei, dass aufgrund der andauernden natürlichen und menschengemachten Veränderungen der Flusslandschaft das genaue Aussehen römischer Binnenhäfen nicht mehr ganz zweifelsfrei rekonstruiert werden kann.